Ich wohne in Duisburg-Hochfeld und dort direkt auf einer der belebtesten Straßen Duisburgs, wennschon, dennschon. Klar, Hochfeld hat nun nicht gerade den besten Ruf. Erscheint gerne und häufig in der nationalen Presse und verursacht bei vielen Gut-Menschen reichlich Kopfschütteln. Aber nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Ich lebe hier schon etliche Jahre, verbrachte hier zum Teil meine Kindheitstage und ja, es ist streckenweise gewöhnungsbedürftig. Es sollen Menschen aus 91 Nationen mit unterschiedlichen Kulturen hier wohnen, was nicht immer zu Heiterkeit oder, wie sagt so manch ein bescheuerter Sozialverklärer, „buntem Treiben“ führt.
Aber wenn ich draußen vor einem der zahlreichen Straßencafés sitze und die großen, kleinen, dicken, dünnen, weißen, schwarzen Menschen mir so ansehe, komme ich des Öfteren aus dem Staunen nicht heraus. Dann scheint es, als läge neben dem ganzen Testosteron so etwas wie Zuneigung, Herzlichkeit, Verbundenheit in der Luft.
Und sollte mir mal diese ganze Eintracht und Harmonie zu viel werden, setzte ich mich aufs Rad und fahre an die Rheinwiesen. In nur fünf Minuten, Natur pur.
Durch den Rheinpark, vorbei an dem Café „Ziegenpeter“, was ich toll finde, eine Arbeitsstätte für Jugendliche mit Behinderung, und über die Rheinbrücke „der Solidarität“, die ihren Namen daher hat, weil „ich“, ok, Fairheitshalber sollen die paar tausend Anderen nicht unerwähnt bleiben, für den Erhalt des Stahlwerks in Rheinhausen drüber marschierten.
Und schwuppdiwupp bin ich im Grünen. Erholung, Entspannung, einfach etwas anderes sehen und hören. Mein Lieblingsplatz ist der alte Rheinarm zwischen Duisburg-Rheinhausen und Homberg. Hat etwas von wilder Natur. Es gibt immer was zu beobachten, ob nun heimlich oder gruselig. Verschlungene Pfade und „kilometerlange“ weiße Strände (dichterische Freiheit!).
Und wenn mich die Muse gerade gepackt hat, fahr ich gerne noch nach Homberg durch. Zum alten Bunker. Duisburgs „Wacht am Rhein“. Als Kind habe ich mich dort mit Freunden herumgetrieben. Wir waren eine richtige Gang. Zwar ohne Namen, aber dafür mit einem Brandzeichen. Aus einem vollkommenen Irrsinn heraus kam einer auf die bescheuerte Idee, wir benötigten eine Erkennung. Er hatte ein alte Teerpappe, erhitze sie und jeder von uns Deppen träufelte sich was davon auf den rechten Handgelenkrücken. Wie wilde Stiere, bei einem Rodeo, hüpften wir Sechs vor Schmerzen über die Wiese, aber jeder wollte dabei sein. Noch heute zeugt die kreisrunde Narbe auf meinem Handgelenk von meiner Mitgliedschaft in der Gang „ohne Namen“. Und da so ein Bunker unglaublich die Kinderphantasie anregt und wir damals alle von Skeletten und Totenschädeln fasziniert waren, mussten wir unbedingt da rein. Ich wollte immer einen Schädel. Träumte davon, abends im Bett zu liegen, Enid Blytons „Fünf Freunde“ zu lesen und eine dicke, lange Kerze auf einem weißen Totenkopf beleuchtet mein Zimmer. Ganz klar, in dem Bunker liegen haufenweise Skelette herum. Blöderweise war uns der Eingang durch eine mächtige Betonplatte versperrt. Ich hatte einen kleinen Werkzeugkasten für Kinder mit einem Miniaturhammer. Wir rechneten uns aus, in spätestens einer Stunde wären wir durch die Platte durchgebrochen. Aber stattdessen brach der Stil. Aus der Traum.
Und zu allem Überfluss zündelten wir auch noch die Rheinwiesen ab. Wir klauten Muttern Kartoffeln um sie über Feuer zu grillen. Die „Erdlinge“ auf ein Stöckchen quetschen und über die offene Flamme halten. Hundert Male gemacht. Und dann ging´s schief. Feuer außer Rand und Band. So entstand die, bis heute noch jährlich stattfindende, Veranstaltung „Rhein in Flammen“. Ein gewaltiges Feuerwerk. Eine Hommage an die Gang „ohne Namen“. Am nächsten Morgen waren wir sogar in der Zeitung. Vadda meinte nur: „Was sind den das für Idioten?“ Ich ersparte mir eine Antwort.
Jetzt stehe ich vor dem Betonklotz und bin froh ein Teil dieser Gemeinschaft gewesen zu sein.
19. Juli 2017 um 15:42
Wieder toll be- & geschrieben.
Ich sag ja immer: So lange eine Stadt einen Fluss hat, ist sie schön.
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20. Juli 2017 um 8:14
Ich danke Ihnen!
Und ja, ich gebe Ihnen recht. Ein Fluss macht eine Stadt schön, interessant und lebenswert. Aber ich sollte Ihnen wohl mitteilen, dass Duisburg die Ausnahme der Regel ist. Nun, es gibt immer den Ausreißer. Man sollte sich in Duisburg nie weit weg vom Rhein aufhalten, darum habe ich immer in seiner direkten Nähe gewohnt.
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