Gedankenwirrwarr & Ruhrpott

Meine ganz eigene Welt


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Parallel-Universum – What you see is what you get

Mutter Hinterhof

Sitze gerade vor einem Berg von Papieren. Bin verwundert wie viel sich an Unterlagen in den letzten fast vier Jahren angesammelt haben. Drei dicke Ordner. Röntgenbilder, CD´s mit Aufnahmen meines Innerstes. CT, MRT, MfG – Mit freundlichen Grüßen. Nun soll ich schon wieder Anträge, Formulare ausfüllen. Habe einen Schwerbehindertenausweis, Grad 100 Punkte. Hatte noch nie in meinem Leben auch nur einmal die volle Punktzahl erreicht. Hab mich irgendwie durch die Schule, durchs Studium oder durchs Leben laviert. Hätte ich mal besser aufgepasst. Jetzt hänge ich bereits an Frage 1.1.3 fest. Muss die Wörter googeln. Noch nie gehört.

Gerade las ich, dass die Wissenschaftler wohl Beweise für ein Parallel-Universum gefunden hätten. Ich stelle mir mein Parallel-Ich vor und hoffe, „er, ich, du“ hat es besser gemacht. Vielleicht hocke ich aber auch in diesem Moment vor Parallel-Papieren. Würde mich gerne anrufen und fragen: „Ob ich mit den Fragen klarkomme?“ Vielleicht bin ich ja schlauer wie ich. Jetzt wird’s verwirrend. Auf jeden Fall sehe ich besser aus. Und dabei muss ich daran denken, dass ich vor ein paar Tagen bei meinen Eltern war und mir meine Mutter ein altes Foto von mir hervorkramte und sie sich nicht verkneifen konnte: „Damals warst du noch echt hübsch. Ein richtig schönes Kind hatte ich früher. Die Nachbarn haben mich beneidet“. Meine Mudda vergießt immer, dass ich ihr Pflegeheim aussuche. Ein Parallel-Heim, weit wech.

Jetzt schau ich auf die Fotos der frühen Kindheitstage und mir bleibt, trotz größter Anstrengung und Schönrednerei, nichts anderes übrig wie dem Scharfsinn meiner Mutter recht zu geben. Mist. Was ist geschehen? Hat man mich in der Zwischenzeit ausgetauscht? Vater ist eh davon überzeugt, dass man mich im Krankenhaus verwechselt hat, richtiges Etikett an den falschen, dicken Zeh geklemmt und schon war ich sein Sohn. Sein richtiger Bub ist schön, schlau und steinreich. Zur Strafe stecke ich ihn mit Mudda zusammen in ein Heim. Dann ist Ruhe im Karton. Ein Abwasch.

Gott, jetzt aber mal ehrlich, ich hatte mal ein kleines, süßes Näschen. Und nun habe ich so eine dicke Urmel. Hab mal gehört, Nase und Ohren wachsen im Alter weiter. Ohje! Wie sieht in 30 Jahren mein Passbild aus? Vielleicht taufe ich mich einfachheitshalber in „Nase“ um. Wie heißt es doch sogleich: What you see is what you get. Nur nicht jetzt schon in Panik machen. Das Amt will ja kein Passfoto, nur Formulare.

peter 1994


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Chemo, Eitelkeit, falsche Haarpracht und sommerlicher Typ

Es ist nun gut ein Jahr her, dass ich meine letzte Chemo-Behandlung erleben durfte und noch heute spüre ich manchmal die Auswirkungen, die noch dadurch verstärkt werden, da ich mir, bis vor Kurzem, noch zweimal täglich Clexane spritzen musste wegen einer Lungenembolie. Besonders bei kaltem Wetter bekomme ich das unglückliche Zusammenspiel der Medikamente zu spüren. Meine Finger werden schlecht durchblutet, werden ganz weiß und Blutleer. Sie sehen krank aus. Und dann geschieht etwas komisches mit mir. Ich verstecke sie regelmäßig in meine Jacken- oder Hosentaschen. Ich muss unweigerlich daran denken, dass mir des öfteren Frauen erzählten, dass sie besonders auf die Hände eines Mannes achten. Sie schauen sie sich genau an: Sind sie gepflegt, ordentlich, sauber, nicht zu wurstig, können zupacken und überhaupt. Dann sehe ich meine weißen, hellgelben, streckenweise auch blau angelaufenen Finger und muss sie instinktiv verstecken. Dann hadere ich mit meiner Eitelkeit und kann mir ein Grinsen über mich nicht verkneifen. Irgendwie hat so eine Eitelkeit etwas an sich. Sie ist komisch, weil man selber komisch wird.

Vor drei Jahren erkrankte ich das erste Mal an Krebs. Es gab eine OP, Chemo und viel zu häufig die Aussage: „Das wird schon“. Die ganze Sache hatte nur blöderweise gestreut; es folgte noch ein Tumor, noch eine OP und da bekanntermaßen alles guten Dinge gleich drei sind, fand ich mich kurz darauf erneut auf dem OP-Tisch wieder. Dort knackten sie mir zwei Rippen, holten ordentlich Lunge raus und ließen mich mit einem unglaublich wirkungsvollen Glücklichmacher, der einen horrenden Straßenverkaufspreis erzielen würde, die Schmerzen überstehen. Nach der Meinung der Ärzte war aber nun Schluss mit Lustig und sie verordneten mir eine doppelte Portion Chemikalien. Und damit diese Menge auch rein passt, verpasste man mir einen Venenkatheter am Hals. Mir nichts dir nichts stand ich wieder mit einer Glatze vor dem Spiegel. Aber im Gegensatz zum ersten Mal, konnte ich mir diesmal nichts schön reden. „Nix war´s mit männlich“. Ich fühlte mich richtig krank. Klar, ich war krank, aber diesmal fühlte ich mich auch so. „Humor ist, wenn man dennoch lacht“, galt da für mich nicht mehr. Weiterlesen


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Ist Computertomografie-Ansagerin ein Ausbildungsberuf?

Heute war wieder einer dieser Tage, die ich mit warten verbrachte. Warten auf den Arzt. Man hatte ja Wochen vorher einen Termin vereinbart. Einen Termin für morgens beim Radiologen. Kommen Sie ruhig etwas früher“ meinte vor Tagen der freundliche Engel mit den Goldlöckchen hinter der Rezeption. Warum?“ frage ich mich gerade.

Da sitze ich nun, warte. Warte darauf, dass das milchige Kontrasthilfsmittel, welches ich gerade lieblos vorgesetzt bekam, wirkt und ich auf den Bildern des Computertomografie Automat leuchte wie eine Weihnachtsbaumlichterkette.

Von meinen Östrogenen gesteuert greife ich gelangweilt nach einer der Zeitschriften, die wohl drapiert auf dem Tisch liegen. Gala. Schaue mir die schönen Menschen auf den Hochglanz-Seiten an und fange unweigerlich meinen Körper an zu hassen. Neben Falten, grauen Haaren leistet die Schwerkraft ihr übriges dazu. Höre meinen Namen, falsch ausgesprochen, da aber kein anderer sich reckt, war wohl ich gemeint und es folgte die Routine nach: the same procedure as every mounth. Ausziehen, in die Röhre legen, Kanüle in den rechten Unterarm und nach ein paar Minuten kommt sie endlich: Die Stimme. Leise, fast hauchend, aber bestimmend: „Tief einatmen. Luft anhalten. (lange Pause) Ausatmen. Langsam weiteratmen.“ Weiterlesen