Wenn ich heute so durch Duisburg laufe, lande ich immer wieder an Orte, wo ich mich laut sagen höre: „Weißte noch damals.“ Nun, ich komme in das Alter, wo man ganz unwillkürlich anfängt mit sich selber zu reden. Das ist im Grunde genommen nicht schlimm, wenn da nicht die Mütter wären, die schreckhaft ihre Kinder zu sich heranziehen und einen fragend anschauen. So wie neulich auf´m Dellplatz.
Die Jung-Mama ganz fest das Händchen ihres kleinen Buben festhielt, dass diese schon blau anlief, und mich anschaute, als wäre ich nicht von dieser Welt. Was natürlich so nicht stimmt, obwohl ich heute noch gerne davon träume, dass man mich als Bub in eine Rakete setzte und ich meinen Planeten verlassen musste. Hier strandete und nur das grüne Kryptonit meine übermenschlichen Superkräfte eindämmen kann. Ich glaube der Röntgenblick wäre mein Verhängnis. Jetzt ohne Scherz. In jungen Jahren kaufte ich mir mal so eine vielversprechende Röntgen-Brille. Sie versprach mir, meine anbetungswürdige Englisch-Lehrerin nackt sehen zu können. Nun, entweder hatte ich was an den Augen oder das Ding war defekt. Wie man sah, sah ich nix. Ich sah nur bescheuert aus. Aber das wollte ich gerade der Jung-Mama nicht erzählen. Das hätte das kleine, blaue Händchen in dem vom mütterlichen Instinkt getriebenen Schraubstock nicht überlebt. In dem Alter des bald einhändigen Burschen verbrachte ich auch viel Zeit auf´m Dellplatz.
Der für mich immer noch zu einen der schönsten Plätze Duisburgs gehört. Sternförmig angelegt. Enge Sträßchen. Dicke, alte Bäume. Er zeugt noch von dem einstigen, in Vergessenheit geratenen, Reichtum der Montan Metropole. Vor und nach dem WK II. Duisburg galt sogar 1957 als die reichste Stadt Deutschlands. Kaum zu glauben. Ich glaub´s auch nicht. Aber wahr. Den Dellplatz, oder „Papendelle“ wie er früher hieß, schmücken heute noch eine große Anzahl herrlicher Gründerzeithäuser. Liebevoll restauriert, instandgesetzt oder erhalten. Schon im 15 Jahrhundert wurde auf dem Markt oder in den umliegenden Geschäften, Handwerksbetrieben Waren aller Art feil geboten. Ein Ort mit reichlich viel Geschichte. Auch für mich. Meine Eltern, die ihre Tätigkeiten, Anfang der 1970er, als Polizist und Mudda als Sekretärin des Polizeipräsidenten an den Nagel hängten und sich mehr ein Leben in der Nacht, in der Gastronomie, verschrieben, kauften ihr Gastro Zubehör bei „Droll“, der heute noch existiert. Schon als Kind bin ich staunend durch den kleinen Laden, randvoll mit Töpfen, Pfannen, die teilweise von der Decke herabhingen, herumgelaufen. Ein Irrgarten aus Metall. Ein „Schlagzeug-Paradies“.
Damals sah die gesamte Gegend noch etwas anders aus. Vor allem der riesige Wochenmarkt bestimmte das Leben, das Treiben um und auf dem Platz. Dann kam die bauliche Umgestaltung und es wurde ruhiger. Ein kleines „Kultur-Szene-Viertel“ entwickelte sich nach und nach.
Der ideale Platz für das Platzhirsch-Festival, das für drei Tage dem Dellplatz mehr Leben einhaucht. Live-Musik, vegane und „richtige“ Küche, Mode, Kunst, Lesungen auf und um den Platz.. Aber dieses Jahr habe ich mir das Geld für ein Ticket gespart. Die Lesung letztes Jahr hat gereicht, da saß ich allein unter Frauen. Schon komisch. Auf einmal wünschte ich mir Superkräfte oder wenigstens eine Brille.
3. September 2017 um 10:54
Cool Sache mit der Brille. 😎
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4. September 2017 um 8:10
Ja!
Schon verrückt, an was man so als Kind geglaubt und gehofft hat.
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11. September 2017 um 18:57
Die Häuserfassaden sehen ja toll aus, man glaubt kaum das in Duisburg so viele schöne alte Häuser noch stehen. Schöne Fotos, auch das Wetter hat mitgespielt. Grüße schreibteufelblog
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13. September 2017 um 10:07
Ich finde es auch immer wieder erstaunlich, wie viele schöne Häuser wir hier in Duisburg haben.
Liebe Grüße ausm Pott
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