Gedankenwirrwarr & Ruhrpott

Meine ganz eigene Welt

Zeche Zollverein und „Hömma, bisse doof oder wat?“

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Zeche Zollverein Turm 2 Peter Rejek

Köln. Ich musste mich mit Marketing auf Facebook beschäftigen. Tja, was soll ich nun dazu erzählen. Ich habe kein großartigen Bezug zu dieser Plattform. Auch nicht zu Twitter oder Instagram. Nep. Nix.

Nicht, dass ich diese Art von Medien als oberflächlich, unsinnig oder Jugend verblödend betrachte. Nö.

Ich habe keine Ahnung wann oder warum ich mal etwas gelesen habe. So ein alterndes Gehirn wie meins wird immer löchriger. Ich las etwas über und von einem Professor aus der guten alten Kaiser Zeit, der sich darüber beklagte, dass die Jugend um 1900 herum sich nicht mehr kindgerecht entwickelt. Soziale Kontakte vernachlässigt, sich nicht genug in der schönen Natur körperlich ertüchtigt, die Phantasie durch zu wenig Spiel mit Altersgenossen flöten geht und die Balgen die soziale Hackordnung nicht mehr verinnerlicht. Tja, solche Untersuchungen und Ergebnisse kennen wir ja von heute. Nur, für den Prof steckten die Kleinen zu häufig ihre Nasen in Bücher. Und dies ist halt schädlich für die Entwicklung. Belassen wir es mal dabei mit dämlichen Untersuchungen, allerwelts Professoren und sonstigem Genöle über alles neue und andere.

So machte ich mich die Tage auf den Weg Richtung Essen Zeche Zollverein. Da fand just eine Tagung mit dem klangvollen Namen „Digital durchstarten“ statt, auf der uns die Facebook Macher ihre heile Welt erklärten. Mit Workshops und neuen Inspirationen, die einem mit den richtig gescheiten Marketinginstrumenten zu einem unverhofften, unmöglichen, unbegrenzten Reichtum führen werden. Um ehrlich zu sein, ich habe von dem ganzen heiteren, kumpelartigen Gefasel nix verstanden und schlenderte lieber auf Zeche, denn hier gab es mal Kumpels mit einer ordentlich verständlichen Sprache, die aus Leib und Seele kam. Da gab es einen Grund warum sich jeder duzte, da war jeder ein richtiger Freund, denn das eigene Leben „Untertage“ hing von deinem Nebenmann ab. Vertrauen war angesagt. Ob man sich kannte oder nicht. Eine Grundhaltung die bis heute noch im Pott mitschwingt. Nur verarschen sollte man den Ruhri nicht. Etwas was Facebook Macher noch lernen können.

Zeche Zollverein Turm Peter Rejek

Zeche Zollverein 9 Peter Rejek

Zeche Zollverein 6 Peter Rejek

Einen richtigen persönlichen Bezug habe ich zu der Zeche Zollverein nicht. Sie wurde, um es stark vereinfacht zu erzählen, so um 1834 von dem Duisburger Unternehmer Franz Haniel gegründet. Über den hab ich mal was vertellt. Er brauchte die Kohle, bzw den Brennstoff Koks, für seine Stahlerzeugung. Eigentlich fing er 1834 nur mal so an zu buddeln in Essen-Schönebeck. Richtig los ging es erst 1847. Als die ersten Abteufarbeiten, also Schachtausgrabungen, für Schacht 1 begannen und Haniel die bergbaurechtliche Gewerkschaft Zeche Zollverein ins Leben rief. Eine bergbaurechtliche Gewerkschaft ist im Großen und Ganzen ein Zusammenschluss von Kapitalgebern, die nicht nur die Gewinne abschöpfen sondern, wenn´s mal hart wird und nicht`s läuft, mit ihrem eigenen Geld nachschießen müssen. So verteilte er die Kux, mehr oder weniger Bergbaudeutsch für Anteilsscheine, an seine Familie. Auf jeden Fall war es für Haniel mit Anhang eine wahre, schwarze Goldgrube. Die Zeche wurde kontinuierlich weiter hochgepäppelt und neue Schachtanlagen auf die stählernen Füße gestellt. Bis 1914 gab es bereits neun Schachtanlagen, die ca. 2.5 Millionen Tonnen Kohle im Jahr ans Tageslicht beförderten. Neben der Kohleförderung gab es auch eine Kokerei, die 1970 mit insgesamt 304 Öfen täglich 10.000 Tonnen Kohle zu 8.900 Tonnen Koks für die Stahlindustrie veredelten.

Zeche Zollverein 5 Peter Rejek

Zeche Zollverein4 Peter Rejek

Zeche Zollverein4.2 Peter Rejek

Nach einigem Besitzwechsel begann die Gelsenkirchener Bergwerks AG die weltbekannte Zentralförderanlage Schacht 12 ins Leben zu rufen. Am 01. Februar 1932 nahm das Doppelbockfördergerüst seine Arbeit auf und schickte schon bald fast 7.000 Kumpels in die Tiefe, die über 3.5 Millionen Tonnen Grubengold pro Jahr aus der Dunkelheit schlugen. Die Besonderheit der Zeche Zollverein ist ihre Architektur. Die Gestaltung von den Architekten Fritz Schupp und Martin Kremmer galt als eine Meisterleistung und war richtungsweisend für einen sachlich-funktionalen Industriebau. Diese neue Sachlichkeit des Bauens, ganz im Sinne des Bauhausstils von Walter Gropius, machte die Anlage damals wie heute zur schönsten Zeche der Welt. Jap! Dat mutt ma gesacht werden. Verstehste?

Zeche Zollverein Red Dot Museum Peter Rejek

Zeche Zollverein 10 Peter Rejek

Am 23. Dezember 1986 war Schicht im Schacht und die Anlage wurde stillgelegt. Am 14. Dezember 2001 wurde Schachtanlage 12 sowie 1, 2 und 8, die Kokerei in die Liste der UNESCO Welt-Kulturerbe aufgenommen. Seit dem wird das Gelände in eine „lebendige“ Kulturlandschaft umgestaltet mit reichlich Programm und Veranstaltungen wie die „Nacht der Industriekultur“.

FörderturmB.jpg

Zollverein1

Und wieder einmal wählte man das Datum Ende Dezember, diesmal für die Schließung der letzten Zeche im Ruhrgebiet. 2018 steht der Förderturm Schacht 10 auf Prosper-Haniel in Bottrop still und 200 Jahre Bergbau im Pott sind Geschichte. Ruhrkohle und Kumpels sind nicht mehr gefragt. Dann ist nix mehr mit auf Pütt gehen. 1958 gingen 600.000 Mann im Ruhrgebiet unter Tage, heute noch 2.500. Die Kultur geht ganz langsam flöten, das Miteinander, das Kollegiale, diese einfache, zupackende Art. Taubenschlag, inne Eckkneipe anne Theke mit Sohlei oder Friko die Kohle versaufen.

Tauben Duisburg Homberg Siedlung Johannenhofg

Die Sprücheklopper kommen nun auf Zeche. Ich sach nur: „Hömma, bisse doof oder wat?“

Autor: rejekblog

Ich bin 1964 in Duisburg geboren und lebe fast die ganze Zeit im Ruhrpott. In meinem Blog möchte ich gerne etwas über den Ruhrpott erzählen und was hier so los ist. Und natürlich, was so in meinem Kopf los ist. Nicht viel, ich gebe es zu.

19 Kommentare zu “Zeche Zollverein und „Hömma, bisse doof oder wat?“

  1. Tolle Bilder! Und wieder was gelernt. Ich muss mir das auch unbedingt mal ansehen.
    Freundliche Grüße in den Pott.

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    • Ay, Dank!! Jap, sollte man mal gesehen haben. Und ich freue mich, dass bei Ihnen durch mein Geschreibsel so was wie Neugier aufkommt.
      Sollten Sie also mal im Pott aufschlagen, dann sach Bescheid. Wenne magst. Führe mit`m Tässchen Kaff und Schnittchen dich gerne durch die Tiefen des Ruhrtals.
      Liebe Grüße aus`m Pott

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  2. Wirklich gute Bilder…

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  3. Die Bilder sind klasse, und der Bericht liegt voll auf meiner Wellenlänge.

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    • Freut mich! Danke. Naja, als alter Pottler, der noch mit Bergmannschor und -umzügen aufgewachsen ist, ist die allgemeine „Grundstimmung-Veränderung“ spürbar. Nicht, dass alles schlecht sei, um Gottes Willen. Aber Schade isses schon. Denn Kumpel vermisse ich schon, und dieser Typus ist der, was das Ruhrgebiet mal ausgemacht hat.
      Liebe Grüße

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  4. „Mutta, nimm mich vonne Zeche:
    ich kann dat Schwatte nich mehr sehn!“

    Recht hasse, mit dem, watte geschrieben hass.
    In meinem Berufsleben habe ich unzählige solcher schlauen Marketing-Veranstaltungen durch Weghören unbeschadet über mich ergehen lassen. Ein Miteinander, wie es im Bergbau selbstverständlich und lebenswichtig war, ein Aufeinander achtgeben – das ist längst durch Ellenbogenmentalität und Konkurrenzverhalten ersetzt worden.
    Es ist ja auch eine ganz andere „Kohle“….
    Liebe Grüße!
    Lo

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    • HaHa! Dank! Jap, Marketingveranstaltungen sind eine Erfindung von Menschen, die im vorherigen Leben rothaarige Frauen als Hexen verbrannten, in dem irrigen Glauben das sei Gottes Wille. Ich stimme dir zu.
      Liebe Grüße aus´m Nachbardorf

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  5. Schöner Bericht mit echtem Rost und nicht nur digitalem Dünnschiss (bitte um Entschuldigung für den nicht jugendfreien Ausdruck, ab jetzt geht es manierlich weiter 🙂 ich habe in Dortmund Huckarde noch den Auslaufbetrieb von Zeche /Kokerei mitbekommen, und diese wie du auch schreibst ganz eigene Kultur mit ihren Eckkneipen, Kiosken und Bergmannsiedlungen sowie Fussballverein und Kleingartenanlage…heute ist dort auch ein Museum, aber rundherum alles still…zwar kann man den Himmel wieder in blau anschauen, dafür ist in der Eckkneipe jetzt ein Pizzaexpress und vorm Kiosk stehen die Arbeitslosen mit ner Dose Bier in der Hand die Zeit totschlagen…und die Häuser müssten mal dringend gestrichen werden…das Leben ist raus aus der Bude und die Stadt sieht so aus wie Darmstadt oder Mannheim…geht vielleicht nicht anders und klar, man kann den Lauf der Dinge nicht aufhalten und aus lauter Sentimentalität das ganze Ruhrgebiet unter Denkmalschutz stellen….Schade ist es dennoch !
    Lieber Gruss aus der Hansestadt von Jürgen

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    • Danke dir! Freu mich!
      Denkmalschutz ist immer angesagt, ich habe eher den Eindruck man macht mancherorts den Pott zu einem großen Freilichtmuseum und vergisst ganz und gar, dass es die Menschen waren, die die Gegend ausmachten. Und diese sind fort, die Mentalität verschwunden. Nun sucht man händeringend nach diesen Eigenschaften und glaubt, wenn man so eine olle Waschkaue zu einem Künstlerquartier umfunktioniert wird wieder alles gut.
      Als das Stahlwerk Krupp in Rheinhausen die Pforten schloss bin ich mit den Leuten über die Rheinbrücke, die nun den tollen Namen „Brücke der Solidarität“ trägt mit gegangen. Nun, vom Werk stehen noch ein paar Häuser. Der neue Hafen brachte Arbeit, aber die Stimmung ist weg. Eckkneipen fort, Siedlungen leer. Selbst die legendäre Kneipe Zum Reichsadler, wo ich gerne Schnitzel mit Pommes und Salat mit Dosenmilchdressing aß, gab vor kurzen auf. All meine Freunde sind schon fortgezogen. Keine gutbezahlte Arbeit. Und ich frage mich so langsam, ob auch ich der Arbeit hinterher ziehen soll. Demnächst berichte ich halt entweder aus Berlin, Hamburg, Hoyerswerda oder doch Paderborn. 🙂
      Liebe Grüße aus´m Pott

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  6. Es macht schon traurig, wenn nach und nach die letzten Zechen geschlossen werden. Irgendwann kennt man den Pott nur noch aus Erzählungen, alles Nostalgie.
    Herzliche Grüsse an die letzten Ruhrpottler..

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    • Dank! Leider, leider ist da was Wahres dran. Dann muss was neues her, da rätselt man noch um ehrlich zu sein. Aber der Pott muss sich als ganzes begreifen. 40 Oberbürgermeister im Ruhrgebiet sind 39 zu viel. Schaun wa ma.
      Liebe Grüße Peter

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  7. Toller Bericht, schöne Bilder!!!.mein Oppa war auch 20 Jahre „Untertage“…..krich ich gleich Heimweh:-) LG inn Pott , Corinna

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  8. Ein bisschen verblödend ist eine Plattform wie Facebook aber schon. Vor allem ist nichts an ihr sozial. Jeder Mensch mit Verstand oder Anstand müsste seinen Account spätestens nach einem Jahr Test kündigen. Was dort für ein Ton herrscht. Und was da ungeniert an Halbwahrheiten und Lügen verbreitet wird, unglaublich.
    Die Aggressivität ist hoch. Wenn wirklich mal jemand sachlich und durchdacht seine Meinung äußert, wird er gleich völlig unfair angegriffen und bepöbelt.
    Unliebsame oder kritische Kommentare werden einfach gelöscht. Was dazu führt, das ein zufälliger Leser eine völlig einseitige Darstellung vorfindet und den Eindruck vermittelt bekommt, dass alle anderen ebenfalls diese Meinung verteten.
    Nöö, kaum zu ertragen. War da mal wegen meiner Kinder angemeldet, aber das ist nichts für mich.

    Du hast ein paar schöne Fotos dabei. Wir haben Verwandte in Essen und möchten bei einem der nächsten Besuche mal die Zeche Zollverein in Essen besuchen.
    Bin gespannt.
    Grüßli 🙂

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    • Ich danke dir! Ein Besuch der Zeche lohnt sich auf jeden Fall. Ist alles sehr beeindruckend. Und ein Facebook Account habe ich auch nicht. Aber nur, da ich kein Interesse daran habe. Und Idioten gibt es überall, da gebe ich dir absolut Recht.
      Liebe Grüße

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  9. Mich hat damals bei meinem Besuch unter anderem die wahnsinnslange Rolltreppe beeindruck – ich glaube, die leuchtete irgendwie rot.
    Da ja die Verwandtschaft, die jetzt in Essen und Bochum wohnt, aus Kattowitz stammt und dort – zumindest der männliche Anteil – Obersteiger und der andere später sogar stellv. Bergbauminister war, hat die Kohle bei mir auch als Kind eine große Rolle gespielt, denn ich war jede Ferien dort in Hindenburg, Beuthen und Kattowitz. Mann, war das schwarz und dreckig und die Häuser hatten alle Risse.
    Schluss für heute!

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