Gedankenwirrwarr & Ruhrpott

Meine ganz eigene Welt

Frisör

31 Kommentare

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Ich bin ein Typ. Ein ganz seltener sogar. Wurde mir in die Wiege gelegt. Dies erklärte sie mir vor 30 Jahren. Sie stand vor mir, eine Grande Dame, eine äußerst gepflegte Erscheinung, älter, vielleicht 20 Jahre, aber auf keinen Fall mehr, groß, schlank, mit langem, gewellten blondem Haar, ausgesprochen schön manikürten Händen und einem leichten Duft nach Vanille. Sie wollte mich.


Mein Typ, der unvorstellbar selten ist. Einen wie mich trifft man nicht alle Tage. Sie bat um meine Begleitung. Zu sich. Und würde mich gerne noch weiteren überaus charmanten Damen vorstellen, die sich voller Hingabe und Leidenschaft meiner annehmen würden. Behutsam Hand anlegen. Über Stunden. Und der Gedanke gefiel mir. Ich war noch keine 23 Jahre, unerfahren und brauchte Geld.

Aber ich schwankte, ich überlegte, wollte mich noch nicht festlegen. Aber mitgehen. Auf jeden Fall nicht sofort. Ich wollte sie warten lassen. Ihre Spannung steigern. Ins Unermessliche. Ihre warmen, zarten Hände sollten warten. Ungeduldig. Voller Begierde. Auf mich.

Es war an einem warmen, sonnigen Samstag im Sommer. Ob ich Lust hätte, ob ich am Nachmittag Zeit hätte? Für sie und die anderen Damen?

Ich war damals so groß wie heute, wog etwas weniger und hatte halblanges, hellrotes Haar gepaart mit einem blassen Teint und reichlich Sommersprossen um meiner Nase. Einfach selten. Ein einzigartiges Gesicht.

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So reiste ich an, voller Spannung und Erwartung und besuchte die Damen.

Eine Schminkschule. Dort lernten junge Damen, wie man aus einem Gesicht das Gesicht macht. Ich. Haare, Haut, Sommersprossen – der sommerliche Typ. Der mit dem unwiderstehlichen Porzellanteint. Das neue Sommer-Gesicht-Model der Schule.

Und nun versuchten sie aus meinem eins zu machen, zu modellieren. Da standen die angehenden Visagistinnen mit Pinsel, Puder, Pinzette und starrten mich verzweifelt an. Die Augen voller Fragezeichen. Eine schweißtreibende Arbeit. Eine unlösbares Aufgabe. Einem „knabenhaftigen“ Knaben mit fahlen, farblosen, furchtbaren Teint galt nun mit Kajal, Rouge, Primer die hängenden Schlupflider, die monströsen Tränensäcke, die fetten Pickel weg und mit Lippenstift ein Lächeln in sein ausdrucksloses Gesicht hinein zu zaubern. Sie sollten meine Persönlichkeit unterstreichen, hervorheben, herausarbeiten. Eine Herausforderung. Tränen. Es wurde gezupft, gerupft, gedrückt. Es wurde aufgetragen, abgetragen. Die jungen Mädchen verzagen.

Kirschrot, Weinrot, Hellrot. Auf Tücher „beißen“. Nur nicht die Damen reizen. Bekam auch so rote Lippen vom ewigen Abscheuern, Abrubbeln, Abraspeln. Meine Augenlider wurden gelb, grün und am Ende doch nur blau.

Sechs Monate lang erfuhr ich alles über meine unterschiedlichen Persönlichkeiten. Die Damen übten, interpretierten sommerliche Gefühle und ich lernte. Cat Eyes, Camouflage, Concealer wurden Wörter, die ganz natürlich in meinem Sprachschatz übergingen, dass selbst meine ältere Schwester erstaunte und meine Mutter sich fragte, wohin mich der ungewöhnliche Weg führen würde. Doch keine Enkelkinder?

Sechs Monate, bis mir die Dame erklärte: Dass sich unser farbenfroher Weg nun trenne. Die Mädchen können und wollen nicht mehr an einem Burschen Hand anlegen. Das ging einfach nicht. Meine Karriere war beendet. So abrupt wie sie begann. Laufstege in Paris, Madrid, New-York. Ade. Die Titel der Vogue, Bazaar, Cosmopolitan werden auf mich warten müssen. Geblieben ist die Erkenntnis: Hellblau ist meine Farbe. Hellblaue Hemden wurden kurz mein Markenzeichen, da ich so sommerlich bin und die Farbe meinen Persönlichkeit unterstreicht.

Und wenn ich wieder einmal auf der Suche nach meiner Persönlichkeit bin, gehe ich zum Frisör. Aber eigentlich mach ich es selber, passt besser zu mir.

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mutter ich

Mudda und ich 1987

Autor: rejekblog

Ich bin 1964 in Duisburg geboren und lebe fast die ganze Zeit im Ruhrpott. In meinem Blog möchte ich gerne etwas über den Ruhrpott erzählen und was hier so los ist. Und natürlich, was so in meinem Kopf los ist. Nicht viel, ich gebe es zu.

31 Kommentare zu “Frisör

  1. Wunderbar geschrieben!
    Vielleicht solltest du doch ein Buch schreiben, wie in einem der Kommentare an dich schon vorgeschlagen wurde?

    Gefällt 4 Personen

    • Hallo Ingrid,
      vielen lieben Dank. Ich freue mich immer sehr zu hören und zu lesen, dass meine Geschichten und Erlebnisse so viel Freude machen. Aber ein Buch ist ne Nummer zu groß für mich. 🙂
      Ich wünsche dir einen tollen Sonntag.
      Liebe Grüße, Peter

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  2. Nun bin ich froh, dass ich vorm Schlafengehen nochmal ins Bloggiversum geschaut habe: dein Beitrag hat mich lächeln lassen am Ende eines Sch***Tages. Danke fürs Launelifting!

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    • Hallo Anna,
      das ist mal ein großes Lob. Ich freue mich, dass ich dir deinen bescheidenen, bescheuerten Tag am Ende noch etwas aufheitern konnte. Hoffe, dass es heute besser für dich läuft und der Mist von gestern vergessen ist.
      Wünsche dir einen schönen Sonntag. Und danke dir vielmals.
      Liebe Grüße, Peter

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  3. Jaaa, so ist das! :))
    Wie gut du das beschrieben hast, dieses Gefühl , hihi.
    Ich war Frisörmodell und hatte abwechselnd blonde, braune, rote Haare. Mal glatt, mal gewellt.
    Ach nee, du hast mich jetzt mächtig zum Schmunzeln gebracht, Peter.
    Daaaaanke!

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    • Hallo Brigitte, Hallo Model-Kollegin,
      🙂 🙂 Haarmodel. Klasse. Aber die Färberei? Nee, da hatte ich es doch einfacher. Am Ende wurde alles abgeschminkt und meine natürliche Schönheit kam wieder zum Vorschein. 🙂
      Mitte der 80er sah alles reichlich bunt aus. So sah ich auch aus. War aber verdammt lustig. Ich hatte reichlich Spaß. Ahnte aber gar nicht, dass die jungen Mädchen mit Jungsschminken ein Problem hatten.
      Danke dir vielmals, freue mich total. Ha, lustig zu hören, dass du auch deinen Kopf hingehalten hast. Super
      Liebe Grüße, Peter

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  4. Ein halbes Jahr lang…puh.
    Als ich mal sehr wenig Geld hatte, bin ich dem Aufruf einer ebay-Kleinanzeige gefolgt, in der Modelle für die Abschlussprüfung der Friseurklasse einer großen Berliner Friseur- & Visagistenschule gesucht wurden. Alles für Umme, man solle doch bitte Zeit mitbringen.
    An einem Samstagmorgen standen also mehrere unfrisierte Menschen auf einem Hinterhof in Berlin Mitte und harrten der Dinge.
    In insgesamt drei Stunden wurden unsere Gesichtsformen, Wangenknochenstrukturen, Augenbrauen und natürlich alles rund um die jeweilige mehr oder weniger vorhandene Haarpracht genauestens analysiert und schriftlich dokumentiert. Der gestrenge Blick sowie das kritische Urteil des Meisters stets inklusive.
    Abgesehen davon, dass die junge Frau sich tatsächlich 200% ins Zeug gelegt hat, habe ich sie nach vollbrachtem Werk extra über den Klee gelobt, damit sie auch ja ihr Abschlusszeugnis bekommt. Letztendlich waren wir beide sehr glücklich.

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    • Hallo Birgit,
      das ist ja ne komplett andere Liga in der du dabei und aktiv mitwirken durftest. Das ist jetzt mal richtig spannend, da wäre ich gerne dabei gewesen. Du warst bei den Abschlussarbeiten dabei, also mit den Damen die vorher an mir herum experimentierten. Deine Dame hatte ihr Handwerk fast schon erlernt. Das ist toll. War bestimmt äußerst spannend und aufregend zu sehen, was sie alles mit dir macht. Alleine schon das vermessen finde ich interessant. Würde ich gerne mehr erfahren.

      Ich hatte mein Modelerlebnis Mitte der 80er, da war alles bunt und schrill. Sah streckenweise aus wie der Sänger von Culture Club. Ich saß im Anfängerkurs und die jungen Damen waren im ersten Jahr. Die Meisterin erklärte kurz Hauttyp, Haarfarbe und wie und was, und zwei oder auch drei Mädchen trugen dann wahllos Farbe bei mir auf. Die Grande Dame erklärte danach die Fehler und es ging von vorne los.

      Ich bin ehrlich, ich mochte es sehr, dass so viele Mädchen sich mit mir beschäftigten, manchmal lief mir sogar ein wohliger Schauer über den Rücken.

      Wurde in der Regel vorher angerufen ob ich Zeit und Lust hätte, meist Samstags. Gab allerdings auch kein Geld nur Brötchen und Kaffee. Die Modeldamen gingen dann danach meist so geschminkt in die Disco. Da fehlte mir allerdings die Traute 🙂
      Danke für deinen ausführlichen Bericht. Jetzt hast du mich richtig neugierig gemacht. Und ich finde es toll, dass du die Dame so geherzelt hast. Sie war bestimmt ganz nervös. Hätte ich gerne gesehen.

      Danke dir vielmals, habe mich sehr gefreut
      Liebe Grüße, Peter

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      • Die Absolventen haben mit einem Bleistift das jeweilige Gesicht gezeichnet, so genau wie möglich, es analysiert und dann unterschiedliche Frisuren und Haarfarben diskutiert. Letztendlich galten natürlich der Kundenwünsche, aber all das gehörte zur Prüfung.
        Winkende Grüße in den Pott.

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        • Hallo Birgit,
          vielen Dank und sorry, wenn ich jetzt erst antworte.
          Das eigene Gesicht wird nachgezeichnet. Ist ja schon sehr künstlerisch. Und ne tolle Idee. Und dann wird gegrübelt. Gut dass es nicht mein Gesicht war, dann säßen die Damen heute noch dort. Und es gäbe keinen Prüfungsurkunde.
          Danke dir für deine Info. Sehr spannend. Ich freue mich darüber.
          Liebe Grüße, Peter

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  5. Was mal wieder eine herrliche Geschichte:-))..und jetzt weiss ich ja, wen ich nach Schminktipps fragen kann, hab ich im Moment bitter nötig:-)) Her mit den guten Tipps:) Liebe Grüße Corinna

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  6. Tolle Geschichte … wieder gut fürs Kopfkino 😉 Mudda und du … an irgendeinen Fußballer dieser Zeit erinnerst du mich .. aber an wen? Habe komischerweise auch fast keine Ahnung von Fußball…

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    • Hallo steinegarten,
      danke dir.
      Fußballer? Ich mag Fußball, aber wer könnte mir ähnlich gesehen haben? Rudi Völler, vielleicht. Mitte der 80er hatten wir ja alle die selbe Frisur. Ob Fußballer oder Normalsterbliche 🙂
      Ich danke dir vielmals und freue mich, dass dir die Geschichte gefallen hat.
      Liebe Grüße, Peter

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  7. Oh du Schelm ;o) … herrlich aufs Glatteis geführt. Habe sehr geschmunzelt, wieder.

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  8. Was für eine unglaubliche Geschichte, da ist alles drin, am Anfang die Spannung, dann die Überraschung, ein wenig auch geheimnisvoll, und dann die Auflösung. Vielen Dank, es war eine gute Unterhaltung. Herzliche Grüsse

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  9. Hallo Peter, was für eine aparte Mischung aus falscher Fährte, Leichtigkeit, Nostalgie … alles in einer Schmunzelgeschichte mit dem Oberbonus, dass sie aus dem wahren Leben kommt.
    Deine Mama und du habt eine Menge Ähnlichkeit …

    Ich musste bei deiner Erzählung gerade ein bisschen an die Model Contests denken, die ich vor ein paar Jahren (schriftlich, backstage) begleitet habe. Dort waren – wohl aus Kostengründen – auch die angehenden Visagisten einer Hamburger Fachschule im Einsatz, um die Models themengerecht oder modemäßig saisontauglich herzurichten. Die fanden es anfangs auch ungewohnt, die Jungs zu schminken. Es war kein Ding, wenn karnevalsmäßig geschminkt werden sollte, also eindeutig zur Verkleidung. Doch dort sollte es unauffällig, verschönernd sein. Die jungen Herren (noch Laienmodels) kamen sich auch merkwürdig vor, wenn nicht nur Grundierung und Concealer, sondern auch Rouge, Mascara und Kajal näherrückten. Doch die Hemmschwelle war auf beiden Seiten sehr schnell überwunden.

    Und dich haben sie einfach nach einem halben Jahr ausgemustert? Geht ja gar nicht. 🙂 Da ist ihnen aber schwer was entgangen. So viele Schminkideen, die an einem wirklichen „Typen“ nicht mehr umgesetzt wurden. Pah, selbst Schuld …

    LG Michèle

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    • Hallo Michèle,
      Ha, Danke dir. Du hast einen ausgesprochenen erlesenen Geschmack. Ich bin schon ne Type. 🙂
      Das Bild mit Mudda gefällt mir sehr – totaler Partnerlook.

      Und absolutes wow. Deinen Beitrag über Backstage Model-Contest hätte ich gerne gelesen. Natürlich steht deine fabelhafter kleiner Erlebnisbericht nicht darin, aber fände ich überaus spannend, deinen ganzen Bericht zu lesen. Lieben Dank.

      Ich freue mich total von dir zu hören.
      Liebe Grüße, Peter

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  10. Lass nicht mit Kirschrot an dir rumpinseln, du bist doch ein zünftiger Bursch! 🙀

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    • Hallo Anke,
      Danke dir, jetzt bekomme ich einen roten Kopp vor Freude.
      Zünftiger Bursch? Sehe mich gerade in Lederhose und Schuhplattler tanzen. Ach… besser wie Kirschrot.
      Danke dir. Freue ich.
      Liebe Grüße, Peter

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  11. Freue mich immer wieder über die schönen alten Fotos von Mudda und Dir. Kannte die Geschichte gar nicht. Super spannend geschrieben. Wirklich toll 🙂 Kann auch ein paar Schminktipps gebrauchen ….

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    • Ay meine Sonne,
      freue mich dass dir die kleine Geschichte gefällt.
      War die gute alte Metro-Zeit. Dort hat mich die Dame an der Kasse für die Schule angesprochen. Bin dann Samstag nach der Metro einige Male dort hin gefahren. Und ließ mich befummeln. Hat echt Spaß gemacht.
      Und du brauchst Schminktipps? Jou, bei deiner famosen Superhaut. Und denk dran, meine Erfahrung stammt aus den 80ern, war etwas reichlich bunt.
      Liebe Grüße, Peter

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  12. Ein Morgen, wie er mir gefällt. Tässken Kaffee und grinsend eine tolle Geschichte lesen… So mutt dat! 🙂
    Einfach nur toll. 🙂

    Liebe Grüße, Werner

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    • Hallo Werner,
      danke dir und ich freue mich dir einen guten Tagesstart verschafft zu haben. Ist schon ne Weile her. Sorry, habe deinen lieben Worte gerade erst entdeckt. Freue mich jetzt um so mehr von dir zu hören.
      Liebe Grüße, Peter

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