Der Alsumer Berg. Er tat sich nicht in der miozäner Zeit auf. Es prallten keine zwei Kontinentalplatten aufeinander und hoben oder formten das Gebirge. Sein Beginn ist nach zeitlicher. Aber voller Geschichte und einer Weihnachtsgeschichte.
Der Alsumer Berg zählt bestimmt zu den höchsten Erhebungen die Duisburg zu bieten hat. Halt eine Duisburger Größe. 50 Meter ragt er in den Himmel. Direkt an den Ufern des Rheins gelegen, umringt von Wiesen, Wasser und dem Stahlwerk ThyssenKrupp.
Dort wo heute der Berg steht, stand einst das kleine Rhein-Hafendörfchen Alsum. Die etwas ungünstige Lage direkt am Stahlwerk Thyssen und die dadurch resultierenden Fliegerbesuche um 1944 versprachen auf Dauer nichts Gutes. Kurzum, nach der ganzen Sache stand dort kaum noch ein Stein auf dem anderen. Aber allem Unheil nicht genug, kamen später die Bergsenkungen durch den Bergbau. Die Erde sackte ab und das Rheinwasser sammelte sich in den Gassen und Wegen des Dörfchens. 1954 entschlossen sich die Duisburger Stadtväter den Stadtteil aufzugeben und die verbliebenen 1.500 Einwohner suchten sich eine sichere Bleibe. Man riss die Häuser ab und warf alles an Ort und Stelle auf einen Haufen, die Geburtsstunde des Alsumer Bergs.
Es folgten die Wohlstandsjahre und reichlich Überbleibsel. Alles was ein Haushalt hergab. All der Kram, der Müll den man nicht mehr brauchte. Kartoffelschalen, Fernseher, Schwiegermütter, Autoreifen. Das ganze unnötige Zeug fand dorthin seinen letzten Weg. Und so wuchs der Berg auf eine stattliche Größe. Auch meine Eltern wollten dem Zuwachs nicht nachstehen und beteiligten sich Mitte der 1960er Jahre fleißig daran.
Wir wohnten auf der anderen Seite des Stahlwerks in Duisburg-Bruckhausen. Nur verbunden durch den berühmten Matenatunnel oder auch hin und wieder mal Schimanski-Tunnel genannt, der direkt unter dem Stahlwerk zum Rhein führte. Heute ist der Tunnel Geschichte. Nicht mehr zugänglich. Damals aber schon. Vadda Polizist. Mutter Betreiberin einer Trinkhalle und obendrauf mittlerweile einer Frittenbude. Vater fuhr den ganzen Dreck weg. Auf Kippe. Also rauf auf den Berg. In dieser grauen Vorzeit achtete keiner darauf, was, wo oder wie viel man ablud. Aus´m Auge, aus´m Sinn. Der Alsumer Berg ist, könnte man also sagen, keine klassische Bergbau-Abraum-Halde sondern mehr so eine Art Müllkippen-Halde. Ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, aber ich meine um 1980 schloss man die „Anlage“ und begrünte den Berg. Heute bietet er einen unglaublichen Ausblick auf das Rheintal und nach hinten auf das riesige Stahlwerk. Wo findet man das schon?
Auch bin ich mir nicht sicher, wann dies nun war. Vater auch nicht mehr. So um 1968. Auf jeden Fall war es der 24.12. Heiligabend. Er hatte den Weihnachtsbaum vergessen. Weihnachten kommt plötzlich und Vadda ist halt Vadda. Und zu Hause warteten zwei hoffnungsfrohe Kinderaugenpaare, die meiner famosen Schwester und halt meine, auf den geschmückten Baum. Er hörte durch Zufall, und das war sein Glück, ansonsten hätte ihn Mutter bestimmt hundertmal um den Alsumer Berg gejagt, dass die Weihnachtsbaumverkäufer ihre Reste am Abend auf dem Hügel abladen. So ging er im Dunkeln nur mit einer Taschenlampe bewaffnet zum Alsumer Gipfel und suchte oben zwischen all den Waschmaschinen und Kartoffelschalen nach einem halbwegs brauchbaren Tannenbaum. Schleppte ihn durch den Schimi-Tunnel die 1.5 Kilometer nach Hause. Es dankten ihm vier glänzende Kinderaugen und eine nicht mehr ganz so schlimm schnaubende Ehefrau. Wir hatten einen reichlich geschmückten, um all die Macken und Löcher zu verdecken, denkwürdigen Weihnachtsbaum und unsere Alsumer Weihnachtsgeschichte.
Foto: Matenatunnel. Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von A. Oymann
18. Dezember 2018 um 17:58
Absolut toller Bericht! Sowat Authentisches lieste ja nich alle Tage.
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18. Dezember 2018 um 19:50
Hallo Franz,
vielen lieben Dank. Freu mich sehr, dass der kleine Bericht auch so ehrlich wie gemeint rüber gekommen ist. Danke dir für dein freundlich lobendes Feedback.
Liebe Grüße, Peter
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18. Dezember 2018 um 19:13
Auch Schwiegermütter wurden dort entsorgt. – Was ich hier alles lerne. 😊
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18. Dezember 2018 um 19:47
Hallo Birgit,
🙂 ja ja, das Bildungszentrum rejekblog.
Wäre es nach meiner Mutter gegangen ganz bestimmt. Da hätte ich meine Oma wohl nicht kennengelernt. Mein Mutter war jetzt nicht die klassische Hausfrau. Nicht 1955 und auch nicht 1968. Mein Oma schon. Hätte sie nicht 200 Kilometer getrennt . naja… 🙂
Danke dir sehr, freue mich.
Liebe Grüße, Peter
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18. Dezember 2018 um 20:33
Spannender Bericht … den “ TOURdeRuhrRadweg“ haben wir mal gemacht und sind auch dort vorbeigeradelt 🙂 haben dann in einer alten “ Kohlekneipe“ in DuisburgMarxloh übernachtet …
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18. Dezember 2018 um 21:47
Hallo steinegarten,
freue mich von dir zu hören. Und ich danke dir für deine lobenden Worte.
🙂 TOURdeRuhr. Toll… Dann kennst du ja die Gegend. Freue mich. Und du hast vielleicht noch deine eigenen Bilder vor Augen.
Liebe Grüße, Peter
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19. Dezember 2018 um 10:19
Toller Beitrag. Sowas echtes steht viel zu selten in Reiseführern 🙂 VG, René
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19. Dezember 2018 um 15:05
Hallo René,
danke dir. 🙂
Naja, würde ich jetzt einen Reiseführer schreiben, weiß ich auch nicht ob der Verleger es so toll fände, wenn da stehen würde: Und kraxeln Sie mal die alte Müllkippe rauf 🙂 Ich glaube so genau will das keiner wissen. Ich finde es allerdings witzig.
Danke dir und liebe Grüße,
Peter
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19. Dezember 2018 um 15:13
Das ist allerdings witzig. In Berlin gibt es auch 2 solcher Müll-/Schuttberge. Auch wenn die bestimmt anders angepriesen werden 🙂
VG, René
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20. Dezember 2018 um 0:02
🙂 🙂 Da gibt´s bestimmt einen schönen Namen für.
Liebe Grüße,Peter
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20. Dezember 2018 um 0:09
Jabb. Der eine heißt Teufelsberg, der andere Mont Klamott 🙂
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19. Dezember 2018 um 12:58
Ein wunderbarer Bericht mit den super Fotos!
Staunende Kinderaugen! :D:D
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19. Dezember 2018 um 15:10
Hallo Ingrid,
ich freue mich. Danke dir sehr.
Ohja. Riesige Kulleraugen, wo sind sie geblieben? 🙂 War toll, Alles. Hat Spaß gemacht ein Kind zu sein. Erinnere mich unglaublich gerne daran zurück.
Danke dir nochmal.
Liebe Grüße, Peter
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19. Dezember 2018 um 17:52
Echt spannend!..und vorallem ….für Hobbby-Archäologen wie mich:-))…da liegen bestimmt wahre Schätze, wenn man ein bißchen gräbt….vor einigen Jahren wurde in Bernau, nahe Berlin…ein Grundstück umgegraben, dass auch in den 40/50 Jahren als Müllhalde gedient hatte…..es kamen unglaublich „Schätze“ zum Vorschein. Altes Geschirr, noch völlig heile, alter Stuck, der als Bauschutt damals wohl abgeladen wurde, alte Milchkannen aus Emaille….und und und ..ich fands mega spannend und bin auch gucken gegangen….habe eine wunderschöne bemalte alte Prozellantasse ausgebuddelt:-)) steht heute noch als Deko in der Küche:-)) Liebe Grüße Corinna
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19. Dezember 2018 um 23:59
Hallo Corinna,
ich sehe uns… mit Spitzhacke, Helm und kleiner Funzel . Die Schatzjäger. Und am Ende haben wir den Berg um hundert Meter verrückt. Gehen mit einer Tasse und 10 Schwiegermüttern nach Hause.
Ohja, ich würde gerne wissen was alles dort verborgen liegt, neben den olle Hähnchenknochen aus der Frittenbude meiner Mudda. Wäre schon spannend.
Liebe Grüße, Peter
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20. Dezember 2018 um 13:00
Eine Wünschelrute brauchen wir auch noch:-)) Lieben Gruß Corinna
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21. Dezember 2018 um 10:47
Ha. Ja. Der Ast schlägt aus, da befindet sich unsere Tasse. Süße Idee.
Liebe Grüße, Peter
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20. Dezember 2018 um 13:05
Hallo Peter,
das ist doch mal eine Weinachtsbaumgeschichte…statt einfach schnöde mit dem Luxuskombi 3 Wochen vor Weinachten den Baum vom Baumarkt nach Hause zu karren…und was nun die Müllhalde betrifft…habe ja in Seppenrade eine Zeitlang gewohnt, Postleitzahl 4711…bis uns das fiese+neidische Lüdinghausen eingemeindet hat (4710 LH 2)…das Dorf also ist ruhrgebietsweit als Rosendorf bekannt, mit grosser Feier + Party immer um den 20.8 jedes Jahr…und worauf wachsen Rosen am besten…genau, der ach so hübsche Garten war früher eine offene Müllkippe wo das ganze Zeug aus Dattel und Haltern den Berghang hinuntergekippt wurde…bis das dann irgendwann zu sehr zum Himmel stank…schnell ne Ladung Muttererde drüber und Rosen gepflanzt …Ich wünsche dir schon mal einige schöne Festtage und einen guten Start ins neue Jahr, lieber Gruss, Jürgen
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21. Dezember 2018 um 10:46
Hallo Jürgen,
ich danke dir!
Vom ruhrgebietsweit bekannten, einzigartigen Rosendorf nach Hamburg. tststs, Ein gewagter Schritt 🙂 🙂
Ich wünsche dir auch alles Gute für Weihnachten und ein tolles, neues Jahr.
Liebe Grüße, Peter
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20. Dezember 2018 um 18:51
Wie ihr zu euren Bergen kommt …. ^^ Im Grunde funktioniert das hier ähnlich. Platter Norden und doch gibt es abrupt Erhebungen in Form von Altdeponien, die heute als veritabler Hügel daherkommen oder sogar Energieberg genannt werden. Georgswerder, dann in Hummelsbüttel eine Erhebung von knapp 80 m und einige anderen auf Stadtgebiet.
Momentan prüft man ja hier aufgrund der angespannten Wohnungssituation und der vielen Neubaupläne bei gleichzeitigem Platzmangel, ob nicht noch mehr direkt auf den Altdeponien gebaut werden kann. Also da finde ich euren Alsumer Berg als Ziel erstrebenswerter. Begrünt, mit Bäumen bewachsen und als Aussichtsplatz erkletterbar. Viel, viel schöner …
Und dein Papa hat auf so gewiefte wie auch abenteuerliche Art und Weise euren Tannenbaum noch in letzter Minute ergattert? Das ging ja noch mal gut .. *oh, haua-haua-ha* ^^
Peter, deine Geschichte war wieder eine packende MIschung aus Information, Heimatkunde, Zeitreise und Familiengeschichte mit sehr privatem Einblick was die persönliche Mitgestaltung des Alsumer Berges angeht.
Lieber Gruß auch heute wieder aus dem Norden in den vielseitigen Ruhrpott!
Michèle
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21. Dezember 2018 um 11:01
Hallo Michèle,
finde ich auch. Gerade wir, die auf´m platten Land leben, sind doch froh mal auf 50 oder du auf 80 Meter Höhe kraxeln zu dürfen. Mal die Welt von oben zu sehen 🙂 Spaß beiseite, mir gefällt die Lösung so. Und die Vorstellung man steht auf Müll.
Und Vadda ist schon ne Nummer für sich. 🙂 Aber er hat Weihnachten gerettet und vor allem sich selber.
Ich danke dir sehr herzlich und freue mich sehr.
Wünsche dir ganz tolle Festtage von ganzem Herzen.
Liebe Grüße, Peter
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22. Dezember 2018 um 19:34
jedem seine Heimat…trotzdem toller Ausblick…hab da auch ein paar Wurzeln in GE und Umgebung…heute im eher ruhigen Nordfriesland…Küstengrüsse zum Fest der Lichter !!!
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22. Dezember 2018 um 19:37
Gruss aus Nordfriesland…schöner Rundblick…und schönes ruhiges Fest!
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23. Dezember 2018 um 13:37
Hallo ginnietom,
🙂 ja ja die liebe Heimat, muss man sich halt auch ein kleinwenig schönreden. Kennst ja mit Gelsenkirchener Wurzeln :-). Danke dir sehr. Freue mich.
Ich wünsche dir ein ganz bezauberndes Weihnachtsfest.
Herzliche Grüße, Peter
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22. Dezember 2018 um 21:05
…wenn schon „Vadda“dann doch bitte auch „Mudda“… *lach*
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22. Dezember 2018 um 21:14
Hallo alex,
🙂 🙂 du hast vollkommen Recht. Wenn schon, denn schon, political correctness muss sein. Will doch niemanden diskriminieren. Ab sofort nur noch Mudda. 🙂
Danke, musste laut lachen.
Wünsche dir noch ein tolles Weihnachtsfest.
Liebe Grüße, Peter
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23. Dezember 2018 um 13:14
Klasse Beitrag! Danke!
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23. Dezember 2018 um 13:39
Hallo Elke,
ich habe dir zu danken. Freue mich sehr über deine lobenden Worte. Dank!
Ich wünsche dir und deinem Mann ein ganz wundervolles Weihnachtsfest.
Liebe Grüße, Peter
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23. Dezember 2018 um 14:32
Danke! Das wünsche ich dir auch.
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25. Dezember 2018 um 18:48
Hallo Peter,
Was du wieder für romantische Geschichten ausgräbst und anschlepst! 🙂
Ich wünsche Dir ein fröhliches Fest und hoffe dieses Jahr war der Baum wenigstens halb so märchenhaft 😉
Gruß, Marita
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27. Dezember 2018 um 10:17
Hallo Marita,
🙂 schön von dir zu hören. Danke dir. Und Dank meinem Vadda, wegen ihm muss ich gar nicht so lange graben. Er ist immer ein Garant für gute Geschichten. 🙂
Hoffe du hattest ein fröhliches Weihnachtsfest. Mit allem Drum und Dran.
Liebe Grüße, Peter
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