Gedankenwirrwarr & Ruhrpott

Meine ganz eigene Welt

Sonntag ist Ruhetag

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Meine Sonntage verlaufen immer ruhiger. Immer entspannter. Hektiklos. Lasse die Zeit langsam an mir vorbeiziehen. Früher. Zu einer Zeit, wo wir gerade dabei waren die Keilschrift einzuführen, die ersten Städte gründeten, ich noch einem Mammut hinterherrannte und fest davon überzeugt war, der Kosmos dreht sich nur um mich, nahm ich mir keine Zeit. Da ging ich ins Bett, wenn die erste Kirchturmglocke meinte ihre Berufung nachzugehen, nur um wenig später in einem bunten Trikot dem Ball nachzulaufen. Motorrad fahren, Freunde treffen, Bier trinken. Jede Sekunde verplant. Und heute? Heute stehe ich auf, da dreht sich der Glöckner von Duisburg noch mal um und ich warte, warte was der Tag so für mich bereit hält.

Und, es gefällt mir. Ich liebe es. Die Straße unter meinem Küchenfenster ist noch ganz ruhig und leer. Die Häuserzeile gegenüber dunkel. Kein Licht, das aus den Fenstern dringt. Die Nachbarschaft schläft. Der türkische Bäcker mit seinem Imbiss neben mir hat gerade erst geöffnet. Die Pide noch warm, nur ein paar Nachtschwärmer essen dort ihre heiße, weiße Bohnensuppe an den kleinen Tischen oder trinken schwarzen Tee mit reichlich Zucker. Sehe in müde Gesichter. Die Samstagabend Party ist Geschichte. Ihre Nachtruhe wartet, und auf mich ein ruhiger Sonntag.

Boot Wasser

Wie letztens. Ausflug nach Oberhausen. Die Weiße Flotte ruft. Schiffstour auf´m Rhein-Herne-Kanal und der Ruhr nach Mülheim Wasserbahnhof und zurück. Müßiggang. Die gemächliche, gemütliche, gelassene Reise begann am Schloss Oberhausen. Anlegestelle ist die Brücke „Slinky springs to fame“. Der Name der bunten Konstruktion stammt von dem amerikanischen Spiralspielzeug „Slinky“, das 1945 von Richard James erfunden und im Jahr darauf unter „springs to fame“ berühmt wurde. In Anlehnung an dieses Spielzeug entwarf der Künstler Tobias Rehberger 2011 diese Brückenskulptur. Das war es aber auch schon für mich mit kulturellen Höhepunkten. Mehr „Aufregung“ soll es nicht werden.

Slinky springs to fame Oberhausen Peter Rejek

Slinky springs to fame Oberhausen Mitte 1 Peter Rejek

Slinky springs to fame Oberhausen sw Peter Rejek

Slinky springs to fame Oberhausen Schiff Peter Rejek

Oberhausen Brücke Gasometer

Vier Stunden sah ich die herrliche Landschaft an mir vorbeiziehen und verfiel dabei ganz langsam in eine Schwerelosigkeit. So langsam wie der Fluss vor sich hin glitt, so langsam glitten wir auf ihn. Und ich glitt ab. Tiefenentspannung, Trance. Hörte ältere Herren von weitem, ganz dumpf, als hätte ich wattigen, flauschigen Schaum im Ohr, über Kindheit an der Ruhr reden. Eine Dame, mit schlohweißem Haar, erzählte sehr persönlich, anschaulich, dass sie dort, an diesem Uferabschnitt, ihren ersten Jungen küsste. Ganz vorsichtig, das junge Herz pochte. Was wohl aus ihm geworden ist, seufzt sie gedankenverloren melancholisch zum Abschied an das Fleckchen Erde, das langsam hinter uns aus dem Blickfeld verschwand.

Brücken Schiff Rhein Herne Kanal

Reisende Boot 2

Schleuse Schiff

Frau Schleuse Ruhr sw

Damen Wiese Oberhausen Schiff sw

Sabine Kippe sw

Angler Ruhr

Kühe Ruhr Duisburg

Betrachtete Angler und fragte mich: Könnte dies etwas für mich sein? Sah Kühe auf den Wiesen der Ruhr und stellte fest, von hier aus fährt nur ein paar Hundert Meter weiter eine S-Bahn. Zwei Haltestellen später ist man in der Duisburger Innenstadt. Das gibt es nur hier. Karstadt, Kaufhof, Kühe trennen 1,70 Euro Kurzfahrstrecke.

Niederrhein

Schloss

Und gestern. Sonne, warm, Motorrad. Reisen. Ohne Ziel. Einfach durch die unendlichen Weiten des Niederrheins treiben. Langsam durch die Kurven gleiten. Vorbei an Schloss Gartrop und an einem der unzähligen Bauernhöfen halten. Herbstzeit, heilige Kürbiszeit. Kaffee trinken. Den Herrgott einen guten Mann sein lassen. Die Farbenpracht wirken lassen. Unaufgeregte Damen und Herren bei ihrem Müßiggang begleiten. Zeit, Zeit sein lassen.

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Weiter Richtung Haltern. Stausee. Wo einst die Römer schon lagerten und den ganzen Raum einnahmen, nehmen heute Zweiradfahrer aller Länder Platz. Rund um den See reiht sich ein Motorradtreff an den anderen, wie Perlen auf einer Schnur. Wo ich einst den Duft von Frittenfett, Benzin und reichlich Testosteron liebte, setzte ich mich heute eher abseits.

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Beobachte das Leben. Ein Mann mit einem kleinen weißen, Hund, wie aus der Werbung, gesellt sich zu mir. Ein kurze Unterhaltung über das sonnige Wetter. Meine ersten, längeren Sätze des Tages. Sonntag ist Ruhetag.

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Haltern Stausee

Autor: rejekblog

Ich bin 1964 in Duisburg geboren und lebe fast die ganze Zeit im Ruhrpott. In meinem Blog möchte ich gerne etwas über den Ruhrpott erzählen und was hier so los ist. Und natürlich, was so in meinem Kopf los ist. Nicht viel, ich gebe es zu.

40 Kommentare zu “Sonntag ist Ruhetag

  1. Das klingt doch schön. Beschaulich. Entspannt. Man muss auch nicht auf jeder Katzenkirmes dabeisein. Und man muss auch nicht mehr danach streben, der reichste Mann von Duisburg (oder anderswo…) zu werden. Sonnige, sehr entspannte Grüße aus dem Süden, wo die Vulkane auch schon im Ruhestand sind, und aufs blaue Meer gucken.🦎

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    • Hallo Lo,
      freue mich von dir zu hören. Und jap, der reichste Bursche Duisburgs habe ich dran gegeben, aber wäre ich schon ganz gerne. Nun, bin weder reich, schön noch berühmt und dies ist tatsächlich keine Tragik. Mein Leben plätschert schön ruhig. Und das gefällt mir.
      Liebe Grüße, Peter und dir noch viel Spaß im Süden

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  2. Herrlich….ein wahrlich traumhaftes Wochenende hast Du da gehabt:-)) was will man (n) / frau mehr?:-)) Liebe Grüße Corinna

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  3. Wunderbarer Post. Toll geschrieben und die Bilder dazu, einfach wunderbar.

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  4. Oh wie schön! Nach einem untypisch belasteten und eher hektischen Wochenende fühle ich mich nach dem Lesen dieses Textes jetzt wieder ganz entspannt, merci beaucoup !

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  5. Das klingt ja nach einem perfekten Wochenende 🙂 Ich kann das auch gut … mich in den Tag hinein treiben lassen und gucken was so kommt. Ich mag wilde Partys und durchgerockte Nächte und ich mochte auch immer den verschlafenen Tag danach, wo man sich all die nachts erlebten Dinge nochmal im Tageslicht betrachtet und sich ein bisschen über sich selbst wundert … aber wenn man Glück hat, hat man das jetzt vielleicht noch einmal im Jahr! Alles hat seine Zeit. Und ich genieße es nun, wenn das Wochenende „nur“ bedeutet: Langsam machen, Buch lesen, Sonne fangen, rumlaufen, Eis essen, im Gras liegen und Wolken gucken.

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  6. Diese Slinkybrücke liebe ich – ich war mit Lucie (die leider jetzt schon tot ist) noch vor Eröffnung dort und wir sahen sie wachsen. Und nachher sind wir drüber gegangen und haben viele Fotos gemacht – u.a. auch welche über die Schäden im Begrenzungsgitter, die irgendwelche Idioten gemacht haben, weil sie ihre Herzen dort anhängen wollten.

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  7. Hi Peter, hey, du fährst auch Motorrad? Zu „Jupp unter den Böcken“ fahre ich gerne im Winter als kleine Hausrunde 🙂 Verregnete Grüße aus Do, Annette

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  8. Die Fotos sind sehr schön und strahlen die Beschaulichkeit aus.
    Für mich auch eine Erinnerung an meine alte Heimat. LG

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  9. Fantastische Fotos, danke schön! Würde mich jemand fragen, warum ich so vom Ruhrpott schwärme, würde ich sofort deine Bilder zücken!

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    • Hallo Emily,
      Ich habe zu danken. Uff, jetzt hast du mich sprachlos gemacht. Zu viel der Ehre.
      Danke dir! Ich freue mich ungemein über deine wahren Worte. 🙂 🙂
      Nochmals Dank und zücke wann immer du magst.
      Liebe Grüße, Peter

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  10. Hallo Peter
    wunderbare Bilder und Dein Beitrag hat mich kurz aus meiner Hektik geholt und auch völlig entspannt. Ich liebe es am Wochenende bei gutem Wetter mich einfach auf die Liege zu legen, Wolken anzuschauen, zu lesen, zu träumen. Eine entspannende Schiffsfahrt ist aber auch ganz in meinem Sinne und einfach den Kopf leeren und zu schauen.
    Gruss aus dem Markgräflerland

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    • Hallo Simone,
      ich freue mich ungemein, dass du etwas entspannen konntest und für eine kurze Zeit deiner Hektik entfliehen konntest.
      Lieben Dank.
      Und liebe Grüße aus´m Pott, Peter

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  11. Pingback: Auch das ist das Ruhrgebiet #Haltern | Ruhrköpfe

  12. Hallo Peter,
    ein sehr schöner Bericht wieder, wobei man Haltern am Wochenende nicht wirklich als Ruheort bezeichnen kann…bei der Motorradshow…..ich komme ume Ecke her, Lüdinghausen,Seppenrade…und mein Tip…fahre mit deiner BMW bis nach Lüdinghausen, Burg Vischering und Cafe und Kuchen bei Terjung (Schulfreund von mir) im Schlosshof draussen….sehr entspannend !
    Lieber Gruss von Jürgen (zwar mit Motoradführerschein aber nur mit Mountainbike unterwegs….)

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    • Hallo Jürgen,
      danke dir. Freu mich.Und noch mehr über deinen Tipp. Werde ich wahrnehmen. Ganz bestimmt sogar, denn ich muss zugeben: kenne ich nicht. Und Burgen und Kuchen sind genau mein Fall. Dank dafür!
      Und was macht deine Weiterbildungsmaßnahme. Pferdeäpfelaufsammler? macht man eigentlich auch eine mündlichen Prüfung?
      Ich wünsche dir ein tolles entspanntes Restwochenende und überhaupt alles Gute. Liebe Grüße, Peter

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  13. Mündliche Prüfung : als Pferdeflüsterer 🙂 Fürchte nur in meinem hohen Alter ist der Job nichts für mich…müsste mich zu oft bücken…Die Wasserburg Vischering dürfte dir gefallen, die kann man auch innen besichtigen…aber setzte dich nicht auf den grossen Stuhl des hohen Gastes…der Boden ist eine getarnte Falltür die per Fernbedienung sich öffnete und den Gast dann hinter ins Verliess des Burginneren beförderte…Das waren noch Tischsitten….
    Lieber Gruss, Jürgen

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  14. Ach ja, unter 13.5.2016 findest du ein Bild, ich habe sie natürlich auch schon für meinen Blog verewigt…direkt gegenüber ist das Gymnasium wo ich Abitur gemacht habe….

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  15. Vor allem die Brückenbilder gefallen mir richtig gut!

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  16. Oh ja, das gefällt mir auch. Auf dem Schiff sitzen und alles an sich vorbeigleiten lassen,
    Nur mache ich das auf der Weser, in Richtung Bremerhaven oder auch mal zurück.
    Gefällt mir gut bei dir 🙂
    Liebe Grüße
    Brigitte

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