Gedankenwirrwarr & Ruhrpott

Meine ganz eigene Welt

Rheinpreußensiedlung und Johannenhof

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Vorweg, jetzt gibt´s nur langatmige Historie – ein bissle was über Franz Haniel, einer der bedeutendsten Bürger Duisburgs bzw. des Ruhrgebiets, Herrn Ermisch mein Mathe- und Physik Lehrer, für´n Pott nicht, aber für mich schon, bedeutend, die Anfänge des linksrheinischer Bergbaus, Zechen-Siedlungen und Bürgerbegehren.

Wollte doch noch kurz etwas über links- und rechtsrheinisch erzählen. Für viele Menschen ist der Rhein die heimliche, westliche Grenze des Ruhrgebiets. Rechtsrheinisch verkümmern Städte wie Duisburg, Essen, Schalke, BVB und linksrheinisch beginnt das platte Land Niederrhein mit Städten wie Moers, Krefeld, Neukirchen-Vluyn (welches ich jetzt nur erwähne, da ich hier vor 30 Jahren eine Beamtenlaufbahn in der Stadtverwaltung begonnen hätte) oder Kevelaer, einer der größten und wichtigsten Marien-Wallfahrtsorte der westlichen Hemisphäre mit über eine Millionen Pilgern pro Jahr und ein absolutes, definitives Muss, wenn man den „Pott“ besucht. Jetzt wollte ich eigentlich nicht vom Niederrhein erzählen, sondern…

Franz Haniel lebte von 1779 bis 1868 im rechtsrheinischen Ruhrort und war der Begründer der ersten Zeche im linksrheinischen Raum, genauer gesagt in Homberg. Zeche Rheinpreußen. So um 1828 kaufte er das ganze Gebiet um die, noch nicht vorhandene, Zeche in Duisburg-Homberg. Jetzt würden mich am liebsten alle Alt-Homberger steinigen und federn, denn damals war Homberg noch eigenständig und Duisburg war für die Ureinwohner so weit wech wie heute New York. Daran hat sich eigentlich nicht´s geändert, ich meine, das mit Duisburg, trotz einer ca. 40 jährigen Eingemeindungsgeschichte. Aber lassen wir uns nicht vom Thema abbringen. Wobei es tatsächlich noch eine Rolle spielen wird.

Haniel. Er erwarb also die Wald-Fläche, einst Homberger Busch genannt, damals so groß wie nun halb Homberg, ließ Teile roden und baute darauf den heute noch erhaltenen Wohnsitz „Hanielschen Hof“. 1852 begann er auf seinem Gelände mit Probebohrungen, auch Prospektion oder Mutungsbohrungen genannt, und als bald fand er Kohle, sein schwarzes Gold, in ca. 175 Meter Teufe (Tiefe). Nach einigem hin und her und reichlich Papierkram, denn auch schon damals ging nichts ohne Genehmigungen, Stempel und Rechtsanwälte, hatte er seine Mutung durch. Eine Mutung kommt nun nicht von dem Begriff Zumutung, was Haniel vielleicht damals annahm, sondern ist mehr oder weniger „Bergbaudeutsch“ und ist ein Antrag auf Bewilligung, oder viel schöner: das Begehren, zum Abbau von Gestein in einem bestimmten Felde, den man bei einer zuständigen Behörde stellen muss. So oder so ähnlich.

Nach getanenen Unterschriften durfte er 1857 mit dem Abteufen, also mit dem Schachtbau (Schacht I), beginnen. So Pi mal Daumen buddelte er 85 Meter weiter südlich von Schacht I 1866 einen zweiten Schacht aus und förderte 1876, also seine Nachkommen, da er ja nun 1868 selber in die Grube fuhr, die erste „Homberger Kohle“ und somit die erste linksrheinische Kohle, zu Tage, da Schacht I erst 1877 in die Pötte kam. Schon damals brauchten Bauvorhaben halt ihre Zeit.

Beide Schächte wurden mit einem Malakow-Turm versehen und diese mit einem Gebäudekomplex verbunden. Ein Malakow Turm ist ein verdammt stabil gebautes Gemäuer, schließlich soll es die Förderanlage und deren Zugkräfte tragen und halten. Den Namen erhielt diese Art der standfesten, gemauerten Fördertürme durch das russische Fort Malakow vor Sewastopol, das während des Krimkrieges (1853-1856) reichlich viel Beschuss durch die Franzosen ertragen musste.

Malakowturm Duisburg Homberg Rheinreußen

Heute steht noch der Turm der Anlage I/II aus dem Jahr 1879 in einem grottenschlechten Zustand so lieblos in der Gegend herum. In Anbetracht der Tatsache, dass der Pott so ein hohes Lied auf seine Vergangenheit singt, fragt man sich: Warum? Denn erstens gehört der Turm zur ersten, linksrheinischen Anlage überhaupt und begründete dort den Kohleabbau und zweitens gehörte er mal Franz Haniel, dem Entdecker und Macher der Zeche Zollverein in Essen. Genug gemault.

Schon bald benötigte die Zeche Rheinpreußen reichlich Personal. So fragte die Leitung bei Schlesiern, Österreichern, Niederländern an, ob sie Bock auf´n Pott hätten, und sie kamen in Scharen. Ich glaube, heute verfluchen die Nachkommen ihre Urgroßeltern. Vor allem die Holländer. Um 1905 errichtete man für sie die Arbeitersiedlung Rheinpreußen mit 1.700 Wohnungen. Sie besteht hauptsächlich aus Ein- und Doppelhäusern und wurde im englischen Stil angelegt. Was ich immer ganz witzig finde, da einem überall dieser Begriff „Englischer Stil“ so vor die Füße knallt wird, als gehöre er einfach zur Allgemeinbildung. Handelt es sich dabei um die Inneneinrichtung oder Bauweise? Fast, nicht so ganz. Im Großen und Ganzen geht es eigentlich um die Idee einer Gartenstadtentwicklung des englischen Städteplaners Ebenezer Howard um 1898. Der, ganz, ganz grob gesagt, die Vorstellung verfolgte, jedem sein kleines Häuschen im Grünen in einer Siedlung mit zentralem Kern, „runden“ Straßen und überaus wichtig: Eine genossenschaftliche, soziale Mitbestimmung und Verantwortung der Bewohner. Was eigentlich damals als Hochverrat an Land und Krone bedeutete. So blieb am Ende eigentlich nur jedem sein Gärtchen. Ok, sehr grob jetzt. Aber immerhin ein enormer Fortschritt, der in Homberg mit der Rheinpreußensiedlung umgesetzt wurde und ein paar Jahre später mit der angrenzenden Siedlung Johannenhof seine Fortsetzung fand. Die wohl bekanntesten Orte dieser Bauweise im Ruhrgebiet sind die Margarethenhöhe in Essen und Gartenstadt Welheimer Mark in Bottrop.

Vorgarten Haus Duisburg Homberg Rheinpreußensiedlung

1923 machte die Zeche dicht und die Kumpels fanden in anderen umliegenden Zechen neue Arbeit.

Aus einem mir nicht bekannten Grund schaffte es der Bauunternehmer Kun 1966 die Siedlungen zu kaufen. Nur ein Jahr darauf befürwortete und beschloss die damals noch selbstständige Stadt Homberg den Abriss der Siedlungen und den Bau moderner Hochhauskomplexe. Vorbei war es mit Gartenstadt Gedanken und nebeneinander Wohnen, sonder Balkon Idylle und gestapelt war angesagt. Kurz darauf waren fast alle Häuser der Abrissbirne zum Opfer gefallen. Bereits 1968 formierte sich reichlich Widerstand gegen das Vorhaben, aber erfolglos. Um die 1.200 Wohneinheiten von Rheinpreußen und gut zweidrittel von Johannenhof verschwanden. Nach der Eingemeindung Hombergs 1975 durch die Stadt Duisburgs wurden die Beschlüsse Hombergs vorerst für Null und Nichtig erklärt.

Bei den wenigen Bewohner keimte Hoffnung auf und sie gründeten erneut eine Bürgerinitiative. Es wurde demonstriert, protestiert und Mahnwachen aufgestellt. 1979 gipfelte das ganze Vorhaben in einen unbefristeten Hungerstreik vor dem Duisburger Rathaus. Nach 18 Tagen des Leidens und Abnehmens kam es zu den ersten Gesprächen und Verhandlungen. Die letzten wenigen Wohnungen blieben erhalten, doch dass dauerte noch ne Zeit. Heute zeugt noch der ein oder andere Verteilerkasten von Kinderhand von den vergangenen Ereignissen.

Stromkasten Duisburg Homberg Rheinpreußensiedlung

In einer davon wohnte streckenweise mein Physik Lehrer Herr Ermisch. Wir wohnten in Homberg. Er in der Siedlung und ich 400 Meter „davor“. Wir verbrachten zwar unsere gemeinsame Zeit in Herdringen, einem kleinen, sauerländischen Dörfchen, aber das ist was komplett anderes. Sein Leben und Wirken in dem Dorf hielt ihn nicht davon ab sich für Rheinpreußen stark zu machen und in jeder freien Minute ins ca. 120 Kilometer entfernte Homberg zu fahren. 

Ermisch

Herr Ermisch (links), Dame in Schwarz meine Ehefrau 1

 

Später fand das Thema Einzug in die Unterrichtsstunden, anstatt Quantenphysik gab es nun Bürgerbegehren für Anfänger. Auch bot das Thema reichlich Gesprächsstoff bei mir zu Hause. Mein Vater war wahrlich kein Fan von hohen Häusern, vielleicht lag es daran, dass wir 1970 für ein Jahr in Moers in so einem Haus wohnten. Auf der Römerstraße 3 im siebten Stock, oder war es Römerstraße 7 im dritten Stock? Ich weiß nicht mehr, hab´s vergessen. Verdammt lang her.

Gartebzwerg Duisburg Homberg Siedlung Johannenhofg

Tauben Duisburg Homberg Siedlung Johannenhofg

Doppel-Haus_3 Duisburg Homberg Siedlung Johannenhofg

Heute werde einige der sogenannten „Weißen Riesen“ in Homberg wie es so schön heißt zurückgebaut, also abgerissen. Ich frage mich, ob 50 Jahre weiter die Überbleibsel dann auch zur Route der Industriekultur gehören und die kommende Generation sich fragt: Warum hat man die Zeitzeugen dieser einzigartigen Wohnkultur entfernt und nicht der Nachwelt erhalten?

Hochhaus Duisburg Homberg Rheinreußen

Hochhaus Duisburg Homberg Siedlung Johannenhofg

Autor: rejekblog

Ich bin 1964 in Duisburg geboren und lebe fast die ganze Zeit im Ruhrpott. In meinem Blog möchte ich gerne etwas über den Ruhrpott erzählen und was hier so los ist. Und natürlich, was so in meinem Kopf los ist. Nicht viel, ich gebe es zu.

4 Kommentare zu “Rheinpreußensiedlung und Johannenhof

  1. Herzlichen Dank für diesen ausführlichen stadtgeschichtlichen Ausflug. Wieder was gelernt. 🙂

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    • Nicht´s zu danken. Mach ich doch gerne. Freut mich, dass Sie an unnützem Partywissen etwas Vergnügen haben. Komme sonst nie dazu die Geschichte zu Ende zu erzählen. Verstehe ich gar nicht.
      Herzlich Grüße aus´m Pott

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  2. Vielen Dank für den guten historischen Rückblick. Da ist vieles dabei was ich bis jetzt noch nicht wußte.
    Sehr schön die kleinen restaurierten Bergmannshäuser.

    Herzliche Grüsse, Petra Venners

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    • Ich habe zu danken!
      Ich erzähle viel lieber die kleinen Pottgeschichten. Macht mehr Spaß.
      Und Jap, die Häuschen sind wahrlich schön, wobei der ein oder andere recht „interessante“ und individuelle Vorgärten hat. Was ich halt klasse finde, ist, dass man im Johannenhof noch einen guten, alten Taubenschlag findet und der Besitzer noch ein richtiges Original ist.
      Liebe Grüße.

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