Immer, wenn ich Kaugummi-Automaten sehe, muss ich an Heidi denken. Heidi saß nur zwei Bänke vor mir in der 4b. Sie hatte langes, blondes Haar, war zierlich und mit einer kleinen, süßen Stupsnase gesegnet. Eine Kinderliebe wäre nun wohl zu viel gesagt, aber ich mochte sie schon, schon ziemlich. Meine erste Erfahrung, ich meine mit Gefühlen und Gedanken für das andere Geschlecht.
Sie war nicht nur viel hübscher, sondern bei weitem auch viel klüger. Was ich unweigerlich daran erkannte, dass sie ständig den Arm hob, wenn die Klassenlehrerin meinte Fragen stellen zu müssen. Generell kann ich behaupten, war sie in jeglicher Hinsicht viel auffallender, schillernder, strahlender. Nicht, dass ich nicht aufgefallen wäre. Oh, das bin ich. Durchaus. Ich war damals für mein Gewicht um viele etliche Zentimeter zu klein, hatte knallrote Haare und zu meinem Überfluss spannte sich auch noch viel zu häufig ein orangefarbenes T-Shirt, das meine nicht allzu dezente Haarfarbe noch einmal betonte, um meine ausladenden Hüften. Zu allem Überfluss prangerte auch noch auf dem knalligen Bekleidungsstück das grinsenden Konterfei von Gerd Müller, dem Bomber der Nation. Der von meinem hervorstechenden Bauch in eine unendliche Breite gezogen wurde, was seinem Grinsen eine richtige Absurdität verlieh. Kurzum, unscheinbar war ich nicht. Ich fiel halt nur irgendwie anders auf.
Uns trennten Welten. Was ich wohl mit meinen kaum zehn Lenzen bemerkte und begriff. Es nie wagte sie anzusprechen. Was, aus meiner heutigen Sicht, schon eine sehr Weise Entscheidung war. Leider lässt mit zunehmendem Alter die Weisheit nach.
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie sie eines Tages vor einem dieser Kaugummiautomaten stand, einem dieser zweigeteilten Kästen. Diese herrlichen Taschengeld-Vernichtungsmaschinen. Auf der einen Seite befand sich meist eine Box mit kleinen runden, bunten Kaugummikügelchen und daneben so ein Teil, dass das Geld für ein Ring oder sonstigen Gimmick schluckte. Man warf sein schwer erbetteltes Geld von den Eltern in einen Schlitz, betätigte den Drehgriff und hoffte, dass diesmal die richtigen Dinge in den Auffangbehälter plumpsten. Aber meist kamen die vollkommen geschmacklosen, weißen Kügelchen zum Vorschein.
Doch für Heidi tat sich an diesem besonderen Tag vor dem „Spielzeugautomat“ nichts. Der Griff ließ sich nicht drehen, er bewegte sich kein Stück, klemmte fest. Und plötzlich befand ich mich neben ihr, mit einem kräftigen Ruck drehte ich an dem blanken Hebel und es kullerte eine Plastikkugel gefüllt mit einem kleinen, silberfarbenen Ring in den Behälter. Sie lächelte, nickte, bedankte sich und ging. Ich stand dort, fühlte mich wie ein weißer, edler Ritter der Tafelrunde und hatte meine erste Erfahrung mit einem Mädchen. Ich grinste wie mein Gerd Müller, nur um ein vielfaches breiter und roter.
19. August 2017 um 12:30
Herrlich und wunderbar geschrieben:
ich hatte ähnlich Erlebnisse um einen Kaugummiautomaten und ein rothaariges Mädchen.
Rosemarie….
Sie war acht – ein Jahr älter als ich.
🙂
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19. August 2017 um 12:38
Schön von dir zu lesen. Freu mich! Ja, diese kleinen Automaten hatten irgendetwas an sich. Um sie kreisen viele schöne, kleine Geschichten und Erlebnisse, die man nicht mehr missen möchte.
Danke!
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19. August 2017 um 23:38
Wie schön! Und weißt du, was aus Heidi geworden ist!
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20. August 2017 um 8:49
Danke! Ich freue mich!
Leider weiß ich nicht was aus Heidi wurde. Nach der Grundschule trennten sich unsere Wege. Sie ging auf eine Realschule und ich kam kurz darauf in ein Internat. Ins schöne Sauerland, ein Dorf namens Herdingen. Gibt in dem Blog auch ein paar Bilder jener fernen Tage. (Schlagworte Herdringen, wenne magst).
Heidi habe ich aber nie vergessen. Kenn sogar noch ihren Nachnamen. Schon komisch, was man so behält, nicht vergießt. Wäre das mal bei Algebra II auch so.
Danke nochmal! Grüße
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20. August 2017 um 22:43
Ach das werde ich mal checken. Dat Sauerland… ugh… keiner will hin, aber keiner kommt drumherun 🙂
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20. August 2017 um 16:04
Das ist eine sehr schöne Geschichte, manchmal wundert man sich, warum man gerade an bestimmten
Dingen oder Personen sich erinnert.
Schöne Grüsse
Schreibteufelblog
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12. September 2018 um 20:24
Wie süüüß, da isser wieder, mein Ruhrpottjunge:-))Liebe Grüße…Corinna
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12. September 2018 um 21:43
Hallo Corinna,
Dank.
Hat sich ja nicht viel geändert. Weiß nicht, ob es nun gut oder schlecht ist.
Liebe Grüße,
Peter
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15. September 2018 um 17:57
Also ich finde ja gut, dass sich manche DInge NICHT ändern:-)) Liebe Grüße Corinna
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16. September 2018 um 9:23
🙂
Dann bleibe ich, wie ich bin. Nach dem Werbeslogen: „Du darfst“. 🙂
Liebe Grüße, Peter
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12. September 2018 um 20:48
Eine schöne Geschichte. :o)
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12. September 2018 um 21:41
Hallo Silvia,
danke! Freue mich sehr.
Liebe Grüße, Peter
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12. September 2018 um 21:49
😊Auch liebe Grüße!
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