Ich gebe offen zu, wenn es um das Thema Essen geht, bin eher einfach gestrickt, ein schlichtes Gemüt. Weniger Gourmet, mehr Gourmand. Aber nun auch kein richtiger lukullischer Tiefflieger, mehr der „Hausmannsverköstler“. Vater hat mir mit 18 Jahren das Schrauben und Basteln an Autos beigebracht. Lichtmaschine, Anlasser, Räder aus- und einbauen, kein Thema. Mudda führte mich in die Kunst des Zwiebel-, Kartoffelschälens und deren Zubereitung ein. Beide Handfertigkeiten haben sich als sehr nützlich erwiesen und mich bis jetzt recht hilfreich durchs Leben gebracht. Besonders missen möchte ich nicht das Kartoffelsalat-Rezept meiner Oma. Noch mit einer richtig fettigen, selbstgemachten Majo und nicht dieser kalorienarmer Brühe-Schnickschnack.
Und missen wollte ich auch die Gourmet-Meile „Essen für Genießer“, in der Essener Innenstadt, nicht. Nicht, dass ich behaupten würde, ich könnte die Feinheiten, die Nuancen, die hohe Kunst erschmecken oder erschnüffeln. Überhaupt nicht. Noch empfinde ich Essen oder Kochen als erotisch. So wie des Öfteren diese Fernseh-Sterne-Brutzeler behaupten: „Kochen ist wie Sex.“ Ich empfinde beim Kohlrabi schälen oder Blumenkohl waschen nun leider überhaupt nichts. Außer Mühsal. Vielleicht übe ich das Handwerk auch einfach nur falsch aus.
Nein, ich fahre nach Essen, weil mich die Menschen anlocken und faszinieren. 20 Restaurants der gehobenen Klasse haben ihre Stände aufgebaut und bieten Live-Cooking an. Man kann den Köchen über ihre beschürzten Schultern zuschauen wie sie die Speisen gerade frisch zubereiten: Tranchen vom US-Flanksteak, gebratene Jakobsmuscheln mit Gazpacho-Aromen, Triologie von gegrillten Edelfischen und, und, und… Und natürlich hat das auch seinen Preis. Qualität kostet. Das ist auch gut so. Und dementsprechend gehört das sachkundige Publikum auch nicht nur zum verarmten Adel. Neben Gewürzen, Aromen und Gebratenes liegt noch eine ganz leichte Brise, oder um im Fachjargon zubleiben, eine kleine Messerspitze, Blasiertheit in der Luft. Für Ruhrpott Verhältnisse. Das mag ich. Das stört mich nicht. Gehört irgendwie dazu.
Ich kaufte mir eine Dorade mit Orangen-Chutney und wunderte mich. Wie schafften die kochenden Feinmechaniker ohne ein Vergrößerungsglas die Speisen auf so kleinen Vorspeisentellern noch so übersichtlich anzuordnen? Haben die Bonsai Händchen?
Kurz darauf setzte sich eine adrette Dame mit geschmorten Kalbsbäckchen, also auf einem Teller, zu mir. Zusammen mit ihrer pubertierenden Tochter. Madam, hübsch und so um die Mitte Vierzig, wollte ihrem Sprössling wohl in die hohe Schule des Genusses einführen. Die war allerdings sehr mit ihrem Kaugummi beschäftigt. Tochter: „Das Kaugummi zieht sich wie ein Präser.“ Mutter starrt angespannt vor sich hin. Tochter: „Und verliert auch schnell an Geschmack.“ Mutter blieb in der Schockstarre gefangen. Sie löste sich so langsam. Frau schaute zu mir: „In dem Alter könntest du die Balgen am liebsten in die Tonne hauen. Ich kann es kaum glauben, dass es erst ein Jahr her ist, dass ich sie geliebt habe.“ Sie nahm einen Bissen. „Oh Gott! Ist das lecker!“ „Was hatten Sie?“ Ich: „Dorade, war süperb!“ Blondierte Frau: „So was sollte man sich öfters gönnen. Wenn es nicht so teuer wäre.“ Ich, vollkommen verblödet, meinte sagen zu müssen: „Nun, einmal im Jahr mit dem Ehemann sich einen schönen Abend machen.“ „Was?“ kam es fast kreischend zurück, „Ehemann! Erst mal einen haben. Wer nimmt mich den mit so einem Kind?“ Jetzt hing ich in der Schockstarre fest. Wie antworten?
Nach so viel Herzhaftem musste zum Abschluss etwas Süßes her. An jeder Ecke standen Straßenmusiker und versüßten noch das Süße.
Ein paar Bilder der Essener Innenstadt für Menschen, die sie nicht kennen oder fürs Heimweh.
1. Juli 2017 um 13:38
Hach,da bekommt man ja direkt Appetit: nur ist die Auswahl immer so schwierig.
Nehme ich das Nachtigallenarschbackenfiletchen an Erbse oder doch die gebackenen Affenherzen an Dünkelschäumchen?
Schwierig.
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1. Juli 2017 um 21:03
Ich würde dir natürlich das Affenherz empfehlen. Das Nachtigallenarschbackenfilet ist doch recht schwer in der Zubereitung. Hatte oft Pech, entweder zäh oder zu trocken. Da scheu ich mittlerweile das Risiko.
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